Abschlusssymposium: „Fleischwissen“. Zur Verdinglichung des Lebendigen in globalisierten Märkten (UR, 7.-9. Juli 2021)

Fleisch ist Kulturgut. Der Verzehr tierischen Proteins ist eng verzahnt mit der Entwicklung von Mensch und Zivilisation. Aus der Neolithischen Revolution ging nicht nur der Ackerbau, sondern auch das Nutztier hervor. Menschen, Tiere und ihre Umwelten verbindet ein enges Beziehungsgeflecht, dem theoretisch, methodisch und thematisch ebenso vielfältig interdisziplinär nachgespürt wird. Längst richten auch Sozial- und Kulturwissenschaften ihren Blick auf den Umgang mit Tier und Fleisch in heterogenen Gesellschaften – bzw. jüngst verstärkt auch auf komplexe Wechselbeziehungen in einer More-than-Human-World.


Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Verbundprojekt „Fleischwissen“ nähert sich den Traditionen und Dynamiken moderner Tierhaltung, Fleischproduktion und -konsumption vornehmlich über den zentralen Aspekt ihrer Materialität. Es fragt, wie Tiere in zunehmend industrialisierten und globalisierten Märkten zu Lebensmitteln, Gebrauchsgütern, ja ganz allgemein zu Dingen werden. Wie gerinnt ein Lebewesen zum Objekt und welche Rolle spielen Objekte für den Prozess der Dingwerdung? Welches Wissen schreibt sich über Tierkörper und Körperpraxen, über Schauplätze und Instrumente der Züchtung und Haltung, der Schlachtung und Verarbeitung, der Zubereitung und des Verzehrs in sozio-kulturelle Aushandlungen von Mensch-Tier-Beziehungen ein?
Entlang globalisierter Wertschöpfungsketten von Fleisch und Wurst lassen sich Prozesse nachvollziehen, in denen das Objekt Fleisch „seine Sprache findet“, also in komplexen Netzwerken eine genuine Dingbedeutsamkeit erhält, welche – gerade in ihrer partiellen Vielstimmigkeit und teils auch Widersprüchlichkeit – Aussagen über gesellschaftliche Wertsetzungen, Innovationspotenziale und Transformationen zulässt. Warum also entwickelt sich Fleisch in diachroner Perspektive vom Symbol für Fortschritt und Wohlstand mitunter zur Chiffre für Fehlernährung, Umweltzerstörung und Tierleid? Und welche Pfade führen in eine Zukunft, die vor dem Hintergrund anhaltender gesellschaftlicher Kritik am Status quo als für Mensch, Tier und Umwelt tragfähig erachtet werden?
Beispiel „Proteinwende“: Inwieweit ist jenen Innovationen besondere Bedeutung zuzuschreiben, welche traditionelle Fleischprodukte substituieren (sollen)? Welche alternativen Materialitäten liegen zugrunde, welche Rolle spielen Pflanzen, Insekten oder Zellkulturen? Wie werden potenzielle „Futures beyond Meat“ als Lösungen für Gegenwartsprobleme plausibilisiert – und auf welche Weise schreibt sich dies bereits heute in unseren Alltag ein?


Das Symposium stellt die kulturwissenschaftlichen, ernährungs- und innovationssoziologischen Perspektiven, Herangehensweisen und Befunde des Verbundprojekts „Verdinglichung des Lebendigen: Fleisch als Kulturgut“ zur Diskussion und bettet sie ein u.a. über weiterführende Beiträge, Impulse und Kommentare thematisch ausgewiesener Expert*innen in eine Reflexion über Ambivalenzen, Potenziale und Grenzen unseres „Fleischwissens“ im frühen 21. Jahrhundert. 


Hier finden Sie das vollständige Programm. Die Veranstaltung findet digital via Zoom statt. Entsprechende Zugangsdaten werden vor dem Termin zugesandt. Die Teilnahme ist kostenlos.  

Wir bitten um Anmeldung. Kontakt: fleischwissen@gmail.com